
Eigene Projekte trotz all der regulatorischen Anforderungen? Das geht, gerade im Zahlungsverkehr – vorausgesetzt, sie setzen genügend Reserven frei… Eine Handreichung für Entscheider.
DORA, FiDA, PSD3 & PSR – das ist nur der Anfang. Für 2025 steht eine Welle neuer und komplexer Verordnungen bevor, die alle Finanzinstitute betreffen. Viele Termine und Details sind zwar noch unklar, aber die Umsetzungsanforderungen stehen: Fristen einhalten, Vorschriften umsetzen. Doch wie soll das gehen – neben dem laufenden Tagesgeschäft?
Die Realität: Wer sich nicht fokussiert, Prioritäten setzt und Synergien erkennt, wird Probleme bekommen. Genau hier liegt aber auch eine Chance: Immer dann, wenn sich die Frage stellt, was „wirklich wichtig“ ist, bietet sich die Möglichkeit, über das Mindestmaß hinauszugehen. Ziel ist nicht nur die Abarbeitung von Must-haves, sondern die Identifikation von Möglichkeiten, die das Unternehmen langfristig voranbringen.
Doch was wir oft beobachten: Vielen Finanzinstituten fehlt der Überblick. Welche Bereiche sind betroffen? Wo gibt es Überschneidungen? Und wie können regulatorische Projekte so geplant werden, dass sie nicht nur Ressourcen beanspruchen, sondern Mehrwert schaffen?
Keine Zeit, kein Raum für Strategisches?
Regulatorik ohne Weitblick: Warum strategisches Denken oft auf der Strecke bleibt
Die meisten regulatorischen Projekte werden allein durch externe Vorgaben getrieben – nicht durch strategische Überlegungen. Eng getaktete Fristen erzeugen Druck, kurzfristige Orientierung und ein zentrales Missverständnis: „Dringend“ bedeutet nicht automatisch „strategisch wichtig“.
Die Herausforderung:
- Ressourcen werden nach dem Prinzip „Wer am lautesten schreit, wird zuerst bedient“ verteilt.
- Es fehlt der Abgleich mit der Unternehmensstrategie.
- Projekte werden isoliert betrachtet, statt Synergien zu nutzen.
Dabei böte sich durchaus die Gelegenheit, regulatorische Anforderungen nicht nur als Belastung, sondern auch als Gestaltungsraum für neue Möglichkeiten zu begreifen. Wie lassen sich beispielsweise ohnehin notwendige Investitionen so planen, dass sie langfristige Wettbewerbsvorteile sichern?
Compliance weiter denken!
Tatsächlich muss das Umsetzen regulatorischer Anforderungen kein bloßes To-Do bleiben. Wer neue Regeln und erforderliche Änderungen strategisch denkt, findet fast immer zusätzliche Potenziale, z.B.:
- Neue Daten, neue Einblicke: Viele Vorschriften schaffen neue Berichts- und Meldepflichten, oftmals verbunden mit neuen Zugriffsmöglichkeiten auf Daten. Statt nur Datenlieferant zu sein, können Banken diese Einblicke nutzen, um eigene Prozesse und Angebote zu verbessern.
- Optimierte Strukturen und Prozesse: Die Umstrukturierung für Compliance kann gleichzeitig Effizienzgewinne in anderen Bereichen schaffen.
- Innovative Services: Regulierungsinitiativen wie PSD3 eröffnen Schnittstellen, die für neue, kundenzentrierte Dienstleistungen genutzt werden können.
Die Frage, die Banken sich stellen sollten, ist demnach: Welches „Kann“ steckt für uns im „Muss“ der neuen Regeln?
Chancen und Synergieeffekte durch neue regulatorische Vorgaben:
Synergien ergeben sich zum einen womöglich daraus, wenn Teile aus z.B. DORA und FiDA auf die gleichen Änderungen und Anpassungen in den IT-Systemen abzielen – dies vorab zu erkennen und eine Änderung nur einmal logisch anzugehen, erspart die Dopplung in unterschiedlichen einzelnen Projekten. Gleiches gilt auch für Anforderungen bzgl. der 2FA-Umsetzungen oder Anforderungen aus der „Verification of Payee“. Chancen entstehen beispielsweise im Zusammenhanb mit den Dashboard-Funktionen, die für die Anbindung der Zahlungsdienstleister schon erfolgen mussten und nun im Rahmen FiDA und PSD3 erweitert werden – hier ist man nicht mehr nur noch Datenlieferant, sondern bekommt selbst auch Zugriff auf bislang verborgende Daten.
Spielraum schaffen für den Blick nach vorn? Geschäftsarchitektur hilft!
Das bloße Erkennen möglicher Synergien reicht selbstverständlich nicht aus; die erkannten Potenziale müssen auch gehoben werden.
Hierfür brauchen Banken sowohl Kapazitäten als auch eine Klare Struktur. Während erstere häufig im hauseigenen Programm- und Projektgeschäft zu finden und zu „befreien“ sind, empfehlen wir fürs Schaffen der zweiteren die Entwicklung einer Ziel-Geschäftsarchitektur. Diese bildet die Fähigkeiten („Capabilities“) ab, die ein Unternehmen benötigt, um seine Strategie umzusetzen.
Was bringt das konkret?
- Mapping der Anforderungen: Anforderungen werden visuell dargestellt und mit bestehenden Fähigkeiten abgeglichen.
- Identifikation von Synergien: Gemeinsamkeiten zwischen Projekten werden sichtbar, wodurch Ressourcen besser genutzt werden können.
- Strategische Priorisierung: Projekte, die Mehrwert schaffen, können bevorzugt umgesetzt werden.
Ein Beispiel: Mehrere Regulierungen betreffen dieselben Geschäftsbereiche. Statt diese Anforderungen separat zu bearbeiten, lassen sich Projekte bündeln, Synergien nutzen und zusätzliche Freiräume für strategische Initiativen schaffen.
Capability-Mapping: Mehr Effizienz plus Chancen
Ein klares Mapping der Anforderungen seitens der Regulatorik schafft es also aufzuzeigen, wenn die gleichen Geschäftsbereiche von mehreren Maßnahmen betroffen sind, und schafft so die Möglichkeit, die Effizienz anstehender Projekte direkt zu steigern. Ein Abgleich mit der Geschäftsarchitektur wiederum kann Freiräume sichtbar machen, in denen aus den reinen To-Dos der zwingend umzusetzenden Regeln neue Möglichkeiten entstehen – die direkt in einer Projektplanung berücksichtigt werden können. Und sogleich eventuell eine neue Motivation mit sich bringen.
Fazit:
Statt nur zu belasten, können die neuen regulatorischen Anforderungen, effizient umgesetzt, sogar zum Erfolgsfaktor werden – vorausgesetzt natürlich, die Vorgehensweise stimmt!
Autoren
Dieser Beitrag wurde verfasst von:
Thomas Forwe, Geschäftsführer FINIUS
Martin Koob, Senior Consultant Zahlungsverkehr